Sunday , December 8 2024

Junksista – Sinner’s Delight

Das beschauliche Städtchen Biberach an der Riß in Schwaben ist vor allem für sein großes Kindertheater, sein Vogelschutzmuseum und sein Schützenfest bekannt. Seit ein paar Jahren kennt man es auch als Heimat zweier kreative Künstler, die mit ihrem Projekt Junksista die elektronische Musikwelt bereichern. Sie mixen Electro, Indie und Pop zu einer ganz eigenen Musik mit frechen, humorvollen Texten. Wir haben Diana S. im Interview zum neuen Release „Sinner’s Delight“ und Junksistas Bandleben befragt.

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Zero Magazine: Hallo Diana! Wie ist es eigentlich, als alternativer Musiker in Biberach an der Riß zu wohnen und arbeiten? Fühlst du dich da manchmal wie ein „Alien“ in deiner Umgebung?

Diana S: Mir wird von meinem Umfeld ununterbrochen und in aller Deutlichkeit gesagt, dass ich hier so eine Art Alien bin. Aber selbstverständlich ist mir das egal.

Zero Magazine: Viele Musiker ziehen nach Berlin, London oder New York. Aber du und dein Bandkollege Boog seid Biberach an der Riß treu. Was hat Biberach, was diese Städte nicht haben?

Diana S: Im Biberach hat man schlicht und einfach seine Ruhe. Ich brauche Platz für meinen Musikkram und meine vielen, vielen Katzen… und da ich eine dekadente Bitch bin, brauche ich auch Platz für meinen Corvette C4. Das geht in London einfach nicht. Weder Boog noch ich würden hier weg gehen wollen. Ist halt doch die Heimat. Ich komme aber durchaus viel herum und besuche mehrmals im Jahr meine Freunde, die fast ausschließlich in Europas Hauptstädten ansässig sind. Nach ein paar Tagen geht’s dann zurück in das Kuhdorf!

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Foto: Thomas Melcher

Zero Magazine: Meinst du, dass Junksista einen unverwechselbaren Sound hat? Wenn ja, wie erkennt man eine „typische Diana & Boog-Produktion“?

Diana S: Jede Band versucht ja, ihren eigenen Sound zu finden. Uns wurde in diversen Reviews bereits vorgeworfen, unser Sound „sei zu eigen“. Wir sehen das als Kompliment, auch wenn es meistens nicht so gemeint war. Boog und ich stehen auf Sounds, die grooven. Gerade im Electro-Bereich ist das nicht unbedingt selbstverständlich. Da stampfen die Four-on-the-Floor-Songs halt vor sich hin. Klar, das ist kein Fehler und das machen wir auch gerne mal. Aber wir möchten eben auch Songs schreiben, die einen dazu bewegen, seinen Booty zu shaken.

Zero Magazine: Macht ihr die Musik überwiegend für euch selber oder habt ihr ein bestimmtes Publikum im Sinn?

Diana S: Ich sag mal so – wir machen mit Junksista nur Musik, die wir selber toll finden. Kein Song verlässt das Studio, ohne dass Boog und ich beide unseren Segen geben. Und wir freuen uns über absolut jeden, den wir mit unserer Musik glücklich machen. Ich kenne Musiker, die sich darüber aufregen, dass „die falschen Leute“ ihre Musik hören. Was immer das auch heißen soll. Sind denen ihre eigenen Fans nicht cool genug? Das halte ich für äußerst bescheuert. Ich weiß, dass unsere Musik absolut unterschiedliche Menschen anspricht. Wir haben schon Fanpost von bärtigen, schwulen Bikern, Anwältinnen – ja, mehrere… die scheinen uns besonders zu mögen, haha – Rockern und Goths bekommen. Das ist doch genial! Was will man mehr?

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Foto: Thomas Melcher

Zero Magazine: Wie macht ihr eure Musik? Setzt ihr euch morgens ins Studio wie andere ins Büro, macht die Maschinen an und legt einfach los?

Diana S: Ja, an manchen Tagen ist das so. Wobei wir nicht so oft gemeinsam im Studio sitzen. Wir haben beide ein Studio zuhause und können unabhängig voneinander produzieren. Mein Studio ist allerdings eher darauf ausgelegt, Gesang aufzunehmen. Boog ist dafür spezialisiert auf den Sound, da er am Ende auch den Mix perfektioniert und das Mastering macht. Wir werkeln also beide unabhängig voneinander an unseren Ideen, tauschen diese dann aus und machen die Songs gemeinsam fertig. Das ist meistens sehr lustig und oft kommt am Ende etwas ganz anderes heraus! Es ist mittlerweile ein Ritual, dass bei solchen Sessions viel Wein fließt…

Zero Magazine: Habt ihr eine rein berufliche „Musikerehe” oder geht ihr nach erledigter Arbeit auch mal zusammen ein Bier trinken?

Diana S: Wir gehen sogar recht regelmäßig mal was trinken oder essen. Boogs und mein Humor sind zum Glück sehr kompatibel. Wir haben also nicht nur im Studio eine lustige Zeit, sondern auch außerhalb! Anders könnte die Band auch nicht funktionieren.

Zero Magazine: Was sind generell eure Hauptinspirationsquellen?

Diana S: Natürlich die Musik, die wir selbst gern hören… in meinem Fall ist das zur Zeit zum Beispiel Lana Del Rey, Röyksopp, Garbage, Jeff Beck, Ghost und alles aus den Achzigern. Aber ich sauge eigentlich alles auf wie ein Schwamm. Alberne Memes aus dem Netz, Filme, Serien und Songtexte. Manchmal inspiriert mich ein einziges Wort dazu, einen ganzen Songtext zu schreiben. Boog hört wiederum ganz andere Musik. Das geht klar in Richtung Rock und Metal. Woher der seine Inspiration für Electro-Musik nimmt, ist mir bis heute nicht so klar, haha.

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Zero Magazine: Deine Texte sind provokant und sexuell freizügig. Sind die eher albern und mit einem Augenzwinkern zu verstehen als ernst gemeint?

Diana S: Mein Auge ist schon ganz lahm vom Zwinkern, aber irgendwie scheint das trotzdem nicht jeder zu bemerken. Ich schreibe auch manchmal Texte, bei denen ich dann denke: “wow, das ist ja so tief und berührend“… Tränen in den Augen, Gänsehaut. Das bemerkt aber irgendwie niemand. Unser Drecksau-Schandmaul-Ruf eilt uns jedenfalls immer voraus. Auf dem letzten Album waren nicht mal die Hälfte der Songs versaut. Las man die Reviews, hatte man aber das Gefühl, dass Junksista direkt von der Porno-Industrie gesponsert wird…

Zero Magazine: Hat das Thema „Sex“ in deinen Texten auch einen therapeutischen Zweck? Willst du uns helfen, freier, entspannter und glücklicher zu werden?

Diana S: Um ehrlich zu sein, denke ich über sowas gar nicht nach, wenn ich diese dreckigen Texte schreibe. Mir fällt dann irgendwas Albernes ein, wie zum Beispiel „I think I have nothing better to do, when I’m done with lunch I’m gonna spread my legs for you“. Dann lache ich erst mal selber darüber. Das klingt – und sieht auch ähnlich aus – wie bei Beavis und Butthead. Danach schicke ich es an Boog. Der reagiert dann ungefähr genau so. Dann machen wir einen Song draus, haben unseren Spaß damit und freuen uns, wenn andere das auch tun. Aber ja – seid alle freier, entspannter, glücklicher und habt mehr Geschlechtsverkehr! Das ist sicher auch kein Fehler.

Zero Magazine: Meistens singst du auf Englisch. Bevorzugst du diese Sprache wegen ihres Klangs?

Diana S: Ich bevorzuge sie, weil die meisten Leute Englisch verstehen. Außerdem will ich nicht, dass meine Mutter die Lyrics versteht, haha!

Zero Magazine: Eure Plattencover sind immer cool und passen gut zur Musik. Ist es wichtig für euch, dass die Alben eine Art Gesamtkunstwerk sind?

Diana S: Auf jeden Fall! Meine Freundin ist quasi unsere leibeigene Designerin… auf ewig dazu verdammt, sich darum zu kümmern, dass unser Zeug cool aussieht. Die Arme. Sie hat ein gutes Gefühl dafür, wie etwas aussehen muss, damit es zu uns und unserer Musik passt. Ich finde, eine EP oder ein Album muss den Hörer auf eine Reise mitnehmen. Um so mehr Sinne man anspricht, um so mehr regt man die Phantasie des Hörers an. Und genau das wollen wir!

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Foto: Thomas Melcher

Zero Magazine: Seht ihr Junksista als reines Musikprojekt oder eher als umfassendes Kunstprojekt?

Diana S: Ich glaube, wir haben Junksista als reines Musikprojekt gestartet und daraus wurde irgendwie mehr. Wir wollen den Fans was für die Ohren und die Augen bieten und ihnen eben auch dieses Gefühl vermitteln: „mach was dich glücklich macht, sag was du denkst, hab Spaß!“ Ob das Kunst ist, weiß ich nicht, aber es ist für mich mittlerweile mehr als nur Musik. Wir sind sehr authentisch, wir verstellen uns nicht und wir versuchen auch, keinen Trends hinterher zu laufen. Gerade diese Offenheit und Undefinierbarkeit wurde in diversen Reviews oft vernichtend kritisiert. Wir haben uns davon aber nicht runterziehen lassen, sondern haben das als Anlass gesehen, jetzt erst recht unserer Linie treu zu bleiben. In der Zwischenzeit steht Junksista für mich für Rebellion, für eine I-don’t-give-a-fuck-Einstellung.

Zero Magazine: Apropos Rebellion. Marilyn Manson hat einmal gesagt: „Ein Künstler, der nicht provoziert, wird unsichtbar. Kunst, die keine starken Reaktionen auslöst, hat keinen Wert“. Bist du auch dieser Meinung?

Diana S: Er hat damit sicher nicht unrecht. Da könnte man jetzt aber ewig diskutieren, was nun Kunst ist und was nicht. Bei mir lösen viele Songs eine starke Reaktion aus, einfach weil sie genial sind – nicht weil sie provokant sind. Aber ja – ein bisschen provozieren finde ich grundsätzlich schon richtig! Als lesbische, tätowierte, vegane Atheistin kenne ich mich damit ganz gut aus, haha. Wir haben ein Band-Shirt, auf dem steht „Junksista – making people feel awkward since 2011“. Das sind nicht nur leere Worte, das ist mein täglich Brot!

Zero Magazine: Du lebst offen lesbisch. In Russland darf man nicht über Schwule sprechen und in Frankreich gab es Krawalle wegen der Homoehe. Wie engagierst du dich für die Schwulen- und Lesbenbewegung? Wie queer-feministisch bist du und wie äußert sich das in Junksistas Musik?

Diana S: Was in diesen Ländern passiert, erschüttert mich wirklich zutiefst. Man fühlt sich dabei sehr hilflos. Ich engagiere mich, indem ich mich nicht verstecke, indem ich die Texte so schreibe, dass jeder weiß, dass ich da über eine Frau rede. Es hat oft sehr viel Stärke gefordert, mir selber treu zu bleiben. Man ist manchmal irrationalem Hass ausgesetzt. Aber es lohnt sich und ich hoffe, ich kann anderen damit Mut machen. Mir hat einmal ein Mädchen geschrieben, dass sie für ihr Coming Out eine Junksista-CD benutzt hat. Sie hat unsere (C)Lick Me-EP ihrer Mutter geschenkt mit den Worten „und übrigens, ich bin lesbisch“. Das hat mir offensichtlich extrem gefallen!

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Zero Magazine: Ihr habt neulich eine neue EP veröffentlicht. Früher hatten die Singles und EPs einen sehr wichtigen Stellenwert. Aber die Musikindustrie hat sich durch das Internet grundlegend verändert. Welchen Stellenwert würdest du der ”Sinner’s Delight-EP” zuordnen?

Diana S: Das kommt natürlich darauf an, wie man es betrachtet. Im Internet sind Formate wie EPs und Alben nicht mehr so relevant. Man kann jeden beliebigen Song einzeln kaufen oder hören und macht sich eigene Playlists. Ich glaube allerdings, dass Hardcore-Fans nach wie vor happy sind, wenn wir schöne, physische special editions unserer EPs und Alben veröffentlichen. Und für uns persönlich hat diese EP einen riesigen Stellenwert. Zum einen, weil wir wirklich extrem glücklich mit den neuen Songs sind – zum anderen, weil wir diese EP mit unserem neuen Label Cold School veröffentlichen. Das ist anders und aufregend. Diese Zusammenarbeit hat bisher riesig Spaß gemacht!

Zero Magazine: Wie seid ihr an die neue EP herangegangen? Unterscheidet sich die Herangehensweise von jener zu den Vorgängeralben?

Diana S: Auf jeden Fall. Normalerweise ist für uns die einzige Regel, dass es im Studio keine Regeln gibt. Das hat jetzt jahrelang viel Spaß gemacht, aber dieses Mal wollten wir uns quasi selber herausfordern und haben uns ein thematisches Ziel gesetzt, das es zu erreichen galt. Wir wollten Songs machen, die thematisch zusammenpassen. Vom Sound her und auch inhaltlich, was ja mein Job ist. Normalerweise schreibe ich über alles, was mir in den Sinn kommt und mich bewegt oder amüsiert. Das habe ich zwar dieses Mal auch, aber eben nur das, was zum Thema passt. Wir haben uns außerdem verboten, zwischen allen erdenklichen Musikstilen hin und her zu springen, wie wir das sonst oft getan haben. Ich habe das Gefühl, dass aus dieser selbstauferlegten „Einschränkung“ ganz neue kreative Energie entstanden ist!

 Zero Magazine: Wie würdest du denn das Thema der EP beschreiben?

 Diana S: Es geht um die dunkle Seite der Liebe, um Abhängigkeit und den Verlust von Kontrolle. In „Drug“ wird das ja ohne viele Worte auf den Punkt gebracht, deshalb leitet der Song die EP auch thematisch perfekt ein. Die anderen Songs erzählen Geschichten von der Ex, von der man doch nicht los kommt, von sexueller Abhängigkeit und Liebe die fast in Besessenheit umschlägt. Weil es spannender ist, beleuchten wir diese Thematik aus verschiedenen Perspektiven. Mal ist man der Abhängige, mal ist man die Droge. Der Titel „Sinner’s Delight” erschien uns perfekt. Leute, die gern Dinge tun, auch wenn sie wissen, dass sie falsch sind, werden mit den Songs sicher ihre Freude haben. Der gewillte Zuhörer erkennt hier und da auch das Augenzwinkern…

Zero Magazine: Ihr habt auch ein Musikvideo zu „Drug“ gedreht…

Diana S: Ja, der Videodreh mit Mumukuba war absolut spektakulär… wenn auch nass und schmerzhaft. Wenn sich zwei Menschen derart viele blaue Flecken zuziehen, derart viel Vodka trinken und einen ganzen Tag lang im strömenden Regen todesmutig über glitschige Äste rennen und springen, mit der Fresse im Matsch landen, haben sie auch verdient, dass man das daraus resultierende Musikvideo anschaut!

 Zero Magazine: Was dürfen wir in Zukunft von Junksista erwarten? Arbeitet ihr schon an einem neuen Album?

Diana S: Ihr dürft erwarten, dass wir euch weiterhin mit unterhaltsamen, groovy Songs versorgen werden, dass wir weiterhin den mit wenig bis keinem Humor gesegneten Mitmenschen die Schamesröte ins Gesicht treiben werden… und dass wir womöglich schon den einen oder anderen Song für das nächste, große Projekt fertig haben.

Om Johan Arenbo

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